- Literaturnobelpreis 1957: Albert Camus
- Literaturnobelpreis 1957: Albert CamusDer algerisch-französische Schriftsteller wurde für sein »wichtiges literarisches Werk, das mit klarsichtigem Ernst die Probleme des menschlichen Bewusstseins unserer Zeit erhellt«, ausgezeichnet.Albert Camus, * bei Mondovi (Algerien) 17. 11. 1913, ✝ bei Sens (Frankreich) 4. 1. 1960; arbeitete zunächst in Algier (Theaterinszenierungen und Lokaljournalist); ab 1940 Schriftsteller, Theaterregisseur, Lektor und Journalist vor allem in Paris und Südfrankreich.Würdigung der preisgekrönten LeistungCamus' Werk ist geprägt von seiner bescheidenen Kindheit in Algerien. Das Leben der Menschen in Belcourt — dem Viertel Algiers, in dem er aufwuchs — und die Sonne sind die zwei Grundthemen, aus denen viele seiner Ideen entsprangen. »Das Elend hinderte mich zu glauben, dass alles unter der Sonne und in der Geschichte gut sei«, schrieb er später. »Die Sonne lehrte mich, dass die Geschichte nicht alles ist.« Camus' Vater fiel 1914 während des Ersten Weltkriegs; er wuchs daher bei seiner Mutter und seiner Großmutter auf. Beide konnten weder lesen noch schreiben.Im Winter 1930/31 erlitt Camus seinen ersten Tuberkuloseanfall. Der sportbegeisterte 18-jährige sah sich dadurch plötzlich mit dem Tod konfrontiert; in jener Zeit zwischen Oberschule und Philosophiestudium begann er auch zu schreiben.Camus suchte gleichzeitig die Gesellschaft junger Künstler und linker Intellektueller Algiers. Prägend war vor allem die Begegnung mit dem Hochschullehrer Jean Grenier, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. Grenier thematisierte ebenso wie André Gide (Nobelpreis 1947) vor dem Hintergrund Nordafrikas die Werte der mediterranen Kultur. Diese Autoren fanden daher auch bei Camus und seinen Freunden eine treue Leserschaft.Kommunistische EpisodeAngesichts der Weltwirtschaftskrise und des Erstarkens des Nationalismus verzeichneten die Kommunisten auch in Algerien Anfang der 1930er-Jahre verstärkt Zulauf. Camus' Verhältnis zu ihnen blieb jedoch Zeit seines Lebens gespannt. Dennoch trat er 1935 für ein Jahr der Partei bei und gründete im selben Jahr in Algier eine Theatergruppe (das »Théâtre du Travail«, später »Théâtre de l'Équipe«). Dort inszenierte er zum ersten Mal Theaterstücke, unter anderem das im Kollektiv verfasste Stück »Révolte dans les Asturies«.Sein erstes Buch erschien im Jahr 1937 in einer Auflage von 350 Stück: »Licht und Schatten«, eine Sammlung von Prosatexten, in denen er sein Leben in Algier reflektiert. Zwei Jahre später folgte »Hochzeit des Lichts«, womit er auch in Frankreich einiges Aufsehen erregte.Das Absurde als ThemaCamus pflegte von nun an seine Motive stets gleichzeitig in verschiedenen Formen zu bearbeiten. Das erste Thema, dem er sich so näherte, war das Absurde. »Absurd ist die Gegenüberstellung des Irrationalen und des glühenden Verlangens nach Klarheit, das im tiefsten Innern des Menschen laut wird. [...] Das Gefühl der Absurdität kann einen beliebigen Menschen an einer beliebigen Straßenecke anspringen.«In den folgenden Jahren schuf Camus ein Triptychon, bestehend aus dem Essay »Der Mythos von Sisyphos« (1942), dem Bühnenstück »Caligula« (1945 uraufgeführt) und dem Roman »Der Fremde« (1942). Letzterer zählt heute zu den meistverkauften Büchern Frankreichs, und das nicht nur, weil Themen aus dem Mittelmeerraum damals modern waren.Viele Leser sahen damals im »Der Mythos des Sisyphos« einen Versuch, dem Leben einen Sinn zu geben. Für Camus ist Sisyphus dagegen ein Symbol für den (absurden) Menschen, der im Selbstmord keine Lösung für die Probleme des Alltags sieht. Statt dessen führt er sein sinnloses Leben bewusst weiter und wird sogar glücklich dabei. »Absurd« nennt Camus das Verhalten dieses Menschen, der an der Klarheit festhält und daher auch eine Flucht in Religion, Existenzialismus oder Ähnliches verweigert.Den Roman »Der Fremde« würdigte Jean-Paul Sartre (Nobelpreis 1953) als wertvoll für den Existenzialismus; er nannte ihn »einen [...] Roman, nahe verwandt einer Erzählung von Voltaire«. Gleichwohl wies Camus stets von sich, ein Existenzialist zu sein. Bei »Der Fremde« gab er Einflüsse amerikanischer Autoren zu; Camus hatte unter anderem Faulkner (Nobelpreis 1949) und Steinbeck (1962) gelesen. Camus war nicht nur Schriftsteller, sondern arbeitete auch für verschiedene Zeitungen, darunter in Algier für den »Alger Républicain« (1939-40) und in Paris für die Untergrundzeitung »Combat« (1943-47). In seinen Leitartikeln setzte er sich unter anderem immer wieder vehement gegen die Todesstrafe ein.Freundschaft und Bruch mit SartreVon 1943 bis Ende der 1940er-Jahre verband Sartre und Camus eine enge Freundschaft. Camus kam dadurch auch in Kontakt mit Sartres Freundeskreis, darunter Simone de Beauvoir oder Maurice Merleau-Ponty. 1944 wurde in Paris Camus' zweites Stück uraufgeführt: »Das Missverständnis«, eine Parabel über die Ironie des Schicksals.Nach dem Absurden begann sich Camus, geprägt durch seine Erlebnisse in der Résistance-Zeit, mit dem Problem der Revolte zu beschäftigen. Ab 1945 arbeitete er an seinem zweiten philosophischen Buch, »Der Mensch in der Revolte«. 1947 veröffentlichte er den dazugehörigen Roman »Die Pest«, ebenfalls ein Bestseller. Darin schildert er das Leben in einer von der Pest befallenen Stadt in Nordalgerien — ein Symbol für die deutsche Besatzungsherrschaft in Paris. Nach der Uraufführung des Bühnenwerks »Die Gerechten« 1949, das die grundlegende Verantwortung eines Revolutionärs für seine Taten behandelt, und dem Erscheinen von »Der Mensch in der Revolte« 1951 zerstritten sich Sartre und Camus öffentlich.»Der Mensch in der Revolte« sollte eine philosophiegeschichtliche Abhandlung der Revolte sein und Wege für den notwendigen Aufstand gegen das gemeinsame Schicksal aufzeigen. Dabei sprach sich Camus deutlich gegen den autoritären Sozialismus aus. Der Kreis um Sartre dagegen hielt in einer Zeit zum Kommunismus, als der stalinistische Terror seinen Höhepunkt erreichte.Ende der 1950er-Jahre begann die Algerienkrise. Camus hielt sich mit öffentlichen Äußerungen zu Algerien zurück, »um sein Unglück nicht zu vergrößern und auch nicht den Unsinn, den man über Algerien geschrieben hat«. Dennoch war er in jener Zeit politisch aktiv: Mit Petitionen und Gnadengesuchen setzte er sich für ein friedliches Zusammenleben von Moslems und Franzosen ein.1956 erschien sein letzter Roman: »Der Fall«, sein persönlichstes Werk, das stark verschlüsselt die Kritik Sartres verarbeitet. Als Anwärter für den Nobelpreis war Camus bereits 1949 im Gespräch. Man zögerte lange. Er erhielt den Preis erst 1957, obwohl damals auch Boris Pasternak (Nobelpreis 1958), Saint-John Perse (1960) und Samuel Beckett (1969) in der Diskussion waren. Es erstaunte viele, dass die Wahl nun auf Camus fiel. In der Folgezeit zog sich der Dichter nach Südfrankreich zurück. Der Roman »Der erste Mensch«, den er zur Krönung seines Lebenswerks machen wollte, ist Fragment geblieben.A. Loos
Universal-Lexikon. 2012.